Gibt es zu viele Elefanten? Botswana und das Elefantengeschenk

Aus Botswana machte im April das „Elefantengeschenk“ des Präsidenten Masisi die Presserunde. Es ist bedauerlich, dass die Berichterstattung zum Thema "Abschiebung von 20.000 Elefanten aus Botswana nach Deutschland", ausgehend von der provokativen Berichterstattung der BILD-Zeitung Anfang April, vielfach ein auffallend eindimensionales Bild gezeichnet hat. Es fehlen in den Medien z.B. Fakten zur Entwicklung des Elefantenbestandes in Botswana, zur Rolle der Trophäenjagd, zur Diskussion des Themas „Artenschutz bedrohter Tierarten“ (dazu zählen Elefanten) in Deutschland und der EU sowie zur (nicht unerheblichen) finanziellen Beteiligung Deutschlands am Naturschutz in Botswana.

Wir haben dazu u.a. im Bayerischen Rundfunk Stellung genommen: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/20-000-elefanten-aus-botswana-fuer-deutschland-absurde-pr-oder-ernst-gemeinte-drohung,U8rpVOY

Der Elefantenbestand in Botswana wächst nicht. Es wird zwar behauptet, dass die Elefantenpopulation in Botswana in den letzten Jahren stark angestiegen sei, was zu einem Szenario einer vermeintlichen "Überpopulation" führen würde.

Aktuelle wissenschaftliche Vergleiche [1] [2] von offiziellen Zählungen [3] zeigen jedoch, dass der Elefantenbestand seit 2010 konstant bei plus/minus 130.000 Tieren liegt.
Gleichzeitig ist die Sterblichkeitsrate der Elefanten in Botswana in diesem Zeitraum kontinuierlich gestiegen und erreicht mittlerweile besorgniserregende Werte. Mögliche Ursachen für diese Entwicklung sind Dürre [4], Krankheiten [5] und die Zunahme von Elfenbein-Wilderei [6] [7].

Ein Kadaveranteil von 8 % oder mehr deutet auf eine schrumpfende Population hin, in der die Todesfälle die Geburtenrate übersteigen. Der Kadaveranteil in Botswana aus der letzten KAZA- Zählung von 2022 lag bei fast 12 % und lässt eine überproportionale Sterblichkeitsrate annehmen.

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Zur Elefantenpopulation in Botswana

Elefanten sind stark gefährdet.
In der rezenten Berichterstattung wird ausgeblendet, dass der Bestand an Savannenelefanten auf dem afrikanischen Kontinent in 50 Jahren um mehr als 60 % gesunken ist
[8] und die Art auf der Roten Liste der IUCN als „stark gefährdet“ eingestuft wird. Während es 1979 noch geschätzt 1,3 Millionen Elefanten (Savannenelefanten und Waldelefanten, die auf der Roten Liste sogar auf der höchsten Gefährdungsstufe als „vom Aussterben bedroht“ geführt werden) in Afrika gab, wurde der Bestand vor allem durch die Wilderei für den Elfenbeinhandel auf inzwischen etwa 415.000 Tiere reduziert. 

Das Verteilungsproblem der Elefanten. Das südliche Afrika beheimatet etwa 80 % der Savannenelefanten. Die Tiere in diesem Teil des Kontinents leben überwiegend in isolierten Schutzgebieten, was diverse Risiken mit sich bringt. Eine 2022 veröffentlichte Studie [9] identifizierte Gebiete, die für Elefanten geeignet und verfügbar sind.
Die Studie kam in Bezug auf Namibia, Botswana und Südafrika zu dem Schluss, dass Zäune das größte Hindernis für die Wiedervernetzung isolierter Populationen darstellen. In diesen Ländern werden seit Jahrzehnten kilometerlange Zäune eingesetzt, um Wildtiere von Nutztieren zu trennen. Das Zaunnetzwerk zerschneidet große, zusammenhängende Wildgebiete und bildet unüberwindbare Hindernisse für die Ausbreitung nicht nur von Elefanten. Zusätzlich schränken die Namib-Wüste und die Kalahari die Bewegungen der Tiere ein.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist für die Erhaltung der afrikanischen Elefanten von entscheidender Bedeutung, da 76 % der Elefanten des Kontinents in Beständen leben, die eine oder mehrere Landesgrenzen überspannen [10].

Eine Studie von 2021 [11] zeigt, dass Elefanten in Afrika heute nur noch in einem kleinen Teil (17 %) ihres potenziellen Verbreitungsgebiets leben, obwohl 62 % des Kontinents als geeigneter Lebensraum zur Verfügung stehen. Die Tiere müssen aber auch möglichst sicher und konfliktfrei in diese Naturgebiete gelangen können.

Ein zunehmendes Problem ist die Zersplitterung des Lebensraums durch menschliche Aktivitäten. Daher sind Maßnahmen wie die Vernetzung von Schutzgebieten, die Schaffung sicherer Wanderkorridore zwischen diesen Gebieten und die Förderung der friedlichen Koexistenz von Menschen und Tieren entscheidend, um Elefanten und ihre wichtige Funktion im Ökosystem zu erhalten.

Botswana spielt dabei eine Schlüsselrolle, da der Staat die größte verbliebene Elefantenpopulation Afrikas beherbergt und der nördliche Teil des Landes zum KAZA-Schutzgebiet zählt, das von der deutschen Regierung mit mehr als 60 Millionen Euro unterstützt wird. Ziel des länderübergreifenden Schutzgebietes ist es vor allem, den Lebensraum der Elefanten in fünf Ländern (Botswana, Simbabwe, Sambia, Angola und Namibia) zu erweitern und grenzüberschreitende Wanderungen zu ermöglichen.

Diese Schutzbemühungen drohen allerdings dadurch unterminiert zu werden, dass Botswanas Regierung auch Jagdgenehmigungen in wichtigen Wanderkorridoren der Tiere erteilt [12].

Beispiel Elefantenjagd Caprivizipfel Namibia / Korridor: https://www.youtube.com/watch?v=puyrAgAMvPk

„Tragfähigkeit“ spekulativ: Experten bezeichnen die in der Berichterstattung genannte angebliche Tragfähigkeit von 54.000 Elefanten für Botswana als spekulativ, da Elefantenpopulationen hauptsächlich durch die Verfügbarkeit von Wasser und Futter reguliert werden. Der Lebensraum von Savannenelefanten unterliegt saisonalen Veränderungen und wechselnden Umweltbedingungen. Durch ihre natürliche – auch grenzüberschreitende - Migration wird eine Übernutzung der Lebensräume verhindert. Daher kann keine bestimmte Anzahl an Tieren festgelegt werden, die für einen natürlichen Lebensraum tragbar sind.

Bezüglich des Elefantenmanagements appellierten bereits 2019 weltweit führende Elefantenexperten in einem Brief [13] an den Präsidenten Dr. Masisi. Es wurden auch Optionen für die Reduzierung von Konflikten zwischen Elefanten und den Menschen aufgezeigt.

Betont wurde, dass Konflikte mit Elefanten weder unvermeidbar noch unlösbar sind.

Behauptungen über eine wissenschaftlich nicht nachvollziehbare "Überpopulation" dienen womöglich als politisches Instrument. Botswana arbeitet einerseits an der Freigabe des seit 1989 international verbotenen Elfenbeinhandels, den die Mehrheit afrikanischer Staaten und die Weltgemeinschaft ablehnen. Zum anderen hat die derzeitige Regierung im Jahr 2019 ein 2014 erlassenes Jagdverbot der Vorgängerregierung aufgehoben und die Jagdquote seitdem auf etwa 400 Elefantenbullen pro Jahr erhöht. Eine Quote, die negative Auswirkungen auf die wertvolle Population älterer Bullen haben kann.

Lösungsansätze zur Vermeidung von Mensch-Elefanten-Konflikten
Das Konfliktpotenzial zwischen Menschen und Elefanten besteht vor allem in Gebieten, in denen die Lebensräume der Elefanten durch menschliche Aktivitäten und Zäune fragmentiert werden oder ihre alten Wanderrouten unterbrochen sind. Wenn Elefanten keinen freien Zugang zu Wasser- oder Futterquellen haben oder nicht in andere Gebiete abwandern können, kann es zu Konflikten kommen.
Durch die Schaffung und Sicherung von Verbindungskorridoren zwischen den Lebensräumen der Elefanten können diese menschliche Siedlungen oder landwirtschaftliche Flächen meiden. Elefanten ziehen es vor, eher nicht mit Menschen in Kontakt zu kommen. Der Erhalt und Schutz natürlicher Wanderrouten und die Vermeidung von Hindernissen helfen bei der Verringerung des Risikos, dass Elefanten in Regionen geraten, in denen sie Ernten oder Menschen gefährden oder Infrastruktur beschädigen könnten.
Daneben gibt es zahlreiche bewährte Methoden, um Konflikte zu vermeiden – Experten haben z.B. einen ganzen „Werkzeugkasten“ 
[14] an Optionen für ein friedliches Miteinander von Menschen und Elefanten entwickelt. Eine Reihe von Projekten in Botswana arbeiten an der Umsetzung dieser Konfliktlösungskonzepte.

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Trophäenjagd löst keine Konflikte. Trophäenjäger zielen in der Regel nicht auf diejenigen Elefanten ab, die Schäden verursachen (meist junge Bullen oder Familiengruppen), sondern auf ältere Elefantenbullen mit den imposantesten Stoßzähnen. Diese Tiere sind jedoch nicht nur entscheidend für die Fortpflanzung, sondern spielen auch eine wichtige Rolle im Sozialgefüge der Elefanten, insbesondere der Bullen. Der Abschuss alter Elefantenbullen führt zu einem Verlust von Erfahrung und sozialer Orientierung [15] und kann bei jungen Bullen zu einem erhöhten Aggressionspotential [16] führen - was wiederum Konflikte zwischen Elefanten und Menschen verschärfen kann.

Ein weiterer Aspekt der Trophäenjagd in Botswana ist die Entwicklung der Wanderung der Tiere: In Gebieten, in denen die Jagd erlaubt ist, ging die Zahl der Elefanten in den letzten Jahren um 25 % zurück, wohingegen sie in Gebieten, in denen die Jagd nicht erlaubt ist, um 28 % zunahm. Diese Verschiebungen bieten unter Umständen Konfliktpotential.

Trophäenjagd bekämpft nicht die Armut. Die Einnahmen aus der Trophäenjagd werden in der Regel nicht genutzt, um Menschen für Verluste durch Wildtiere zu entschädigen. Berichte aus verschiedenen Ländern bestätigen, dass die Bevölkerung vor Ort kaum von diesen saisonalen Einnahmen profitiert, sondern dass hauptsächlich Jagdreiseanbieter, private Jagdfarmbesitzer und lokale Eliten partizipieren. Auch in Botswana bereichern sich laut Zeitungsberichten Geschäftsleute und Jagdreiseanbieter [17] am Geschäft mit der Trophäenjagd und benachteiligen die ländliche Bevölkerung [18].

Weitere Hintergründe zur Trophäenjagd: https://www.futureforelephants.org/images/pdf/Mythenpapier-Trophaeenjagd.pdf

Deutschland importiert wenige Jagdtrophäen aus Botswana. Zwar ist Deutschland nach den USA weltweit der zweitgrößte Importeur von Jagdtrophäen geschützter Arten, doch diese stammen selten aus Botswana. In den letzten fünf Jahren verzeichnete das Bundesamt für Naturschutz nur 22 Einfuhrvorgänge von Jagdtrophäen aus Botswana. Ein deutsches Importverbot von Trophäen geschützter Arten würde Botswana kaum berühren.

 

Faktisch bleibt von der angedrohten „Abschiebung“ (BILD) von 20.000 Elefanten aus Botswana nach Deutschland kaum mehr übrig als eine PR-Kampagne. Präsident Masisi könnte das Thema für den aktuellen Wahlkampf [19] in Botswana nutzen – sowie für die Kooperation Botswanas mit der Jagdlobby: etwa als Mitglied [20] und Primus [21] von Großwildjagd-Verbänden oder als Partner von Europas größter Jagdmesse [22] in Dortmund. Die Frage ist, wem diese Kampagne dienen könnte: zum Beispiel all denen, die weiterhin unbehelligt Elefanten jagen wollen, denen, die mit Elfenbein handeln wollen – und denen, die unzufrieden sind mit der Grünen Politik? 

 

Quellen:

[1] https://elephantswithoutborders.org/site/wp-content/uploads/Final-EWB-Ele-Pop-Trends-KAZA-report-Mar24.pdf

[2] https://africageographic.com/stories/kaza-elephants-new-analysis-adds-vital-details/

[3] https://www.kavangozambezi.org/2023/08/31/kaza-launches-its-2022-kaza-elephant-survey-results/

[4] https://joint-research-centre.ec.europa.eu/jrc-news-and-updates/drought-worsens-crisis-southern-africa-2024-04-19_en#:~:text=Insufficient%20rainfall%20and%20high%20temperatures,most%20of%20southern%20Africa%20today.

[5] https://www.theguardian.com/environment/2023/oct/25/scientists-discover-why-dozens-of-endangered-elephants-dropped-dead

[6] https://english.news.cn/africa/20240316/093cb77159c44ff5a8516f86333742bd/c.html

[7] https://okavangoexpress.com/sustainablity-tourism/elephant-without-borders-reports-surge-in-elephant-poaching/

[8] https://www.iucn.org/news/species/202103/african-elephant-species-now-endangered-and-critically-endangered-iucn-red-list

[9] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0275791

[10] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006320717303890

[11] https://www.researchgate.net/publication/350580118_Human_footprint_and_protected_areas_shape_elephant_range_across_Africa

[12] https://www.africanelephantjournal.com/international-elephant-corridor-put-at-risk-by-killing-of-botswanas-largest-tuskers/

[13] https://www.africanelephantjournal.com/a-letter-to-botswanas-president/

[14] https://www.savetheelephants.org/our-work/coexistence/hec-toolbox/

[15] https://www.nature.com/articles/s41598-020-70682-y

[16] https://royalsocietypublishing.org/doi/full/10.1098/rspb.2021.1374

[17] https://www.sundaystandard.info/inside-how-botswanas-trophy-hunting-is-making-the-rich-richer-and-the-poor-poorer/

[18] https://www.dailymaverick.co.za/article/2022-07-07-botswanas-wildlife-management-fails-communities-report/

[19] https://www.thegazette.news/opinion/the-elephant-election/

[20] https://jww.de/botswana-neues-staatsmitglied-beim-internationalen-jagdrat/

[21] https://safariclubfoundation.org/botswana-community-conservation-reform-celebrated-by-safari-club-international/

[22] https://www.jagdundhund.de/my-post3f167822

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