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Afrika: Die letzten großen Bullen – Botswanas stiller Kampf um seine Elefanten

Kapstadt - Wenn Dr. Mike Chase das kleine Vermessungsflugzeug über die Mopane-Wälder im Norden Botswanas lenkt, sieht er die Geschichte der Wildtiere des Landes im Staub geschrieben. Kadaver – einige Monate alt, andere ganz frisch – liegen verstreut entlang uralter Elefantenpfade, stumme Zeugen von Dürre, Jagd und Wilderei. Weiter vorn ziehen die Schatten lebender Elefanten lange Streifen über die Überschwemmungsflächen des Chobe.

Der Blick aus der Luft erzählt jedoch eine ganz andere Geschichte – eine, die jahrelange politische Botschaften infrage stellt und eine erbitterte Debatte darüber entfacht, wie eine der größten Elefantenpopulationen Afrikas gemanagt werden soll. Chase, Leiter von Elephants Without Borders (EWB), untersucht Botswanas Elefanten seit zwei Jahrzehnten aus der Luft. Sein neuester Bericht, gemeinsam mit Ko-Autor Scott Schlossberg, zeigt unwiderlegbar, dass das 2019 wieder eingeführte und seither ausgebaute Jagdprogramm des Landes auf fehlerhaften Annahmen, veralteten Modellen und einem unvollständigen Bild der aktuellen Belastungen für Elefanten beruht.

„Botswanas Krise besteht nicht aus zu vielen Elefanten – sie besteht aus zu wenig Verständnis“, sagt er. „Wir haben kein Elefantenproblem. Wir haben ein Informationsproblem. Jeder hat eine Meinung, aber viel zu wenige stützen sich auf Beweise. Zu viele Meinungen. Zu wenig Wahrheit – und die Wissenschaft, die uns leiten könnte, bleibt viel zu oft ungenutzt.“

Eine Population, die nicht wächst – aber sich verändert

Seit mehr als zehn Jahren behauptet die botswanische Regierung hartnäckig, das Land habe zu viele Elefanten und deren wachsende Zahl setze Mensch und Landschaft unter Druck. Doch Luftaufnahmen aus den Jahren 2010, 2014, 2018 und 2022 zeigen eine erstaunlich konstante Zahl: etwa 130.000 Elefanten im Norden, wo 94 % der gesamten Population leben – ein Wert, der den Behauptungen eines Populationswachstums klar widerspricht.

Der neue EWB-Bericht bestätigt, was Wissenschaftler seit Jahren still beobachtet haben: Diese Zahl ist seit über einem Jahrzehnt nicht nennenswert gestiegen. Stattdessen zeigt sich ein anderer Trend: Die Kadaver-Raten, ein wichtiger Indikator für die Sterblichkeit, steigen stetig an. Höhere Kadaver-Raten bedeuten mehr Todesfälle durch Wilderei, Dürre, Krankheiten oder Jagd.

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Allein zwischen Ende 2023 und Mitte 2025 dokumentierte EWB mindestens 120 gewilderte Elefanten, fast alles erwachsene Bullen. Das Muster erinnert an den früheren Anstieg von 2017–2018, als man davon ausging, dass bis zu 400 Elefanten getötet wurden. Der Umfang dieser Todesfälle ist nicht nur aufgrund der Zahl selbst von Bedeutung, sondern auch wegen der Art der Elefanten, die verloren gehen.



Der selektive Druck auf die letzten großen Bullen

Botswana öffnete 2019 wieder die Trophäenjagd und hat die Quoten seither jährlich erhöht. Die diesjährige Quote von 431 Elefanten entspricht etwa 0,3 % der Population – eine Zahl, die Jagdbefürworter oft als „unbedeutend“ abtun.

Chase hält diese Statistik für gefährlich irreführend.

„Die Quote von 410 Elefanten wird oft mit einem Achselzucken als ‚nur 0,3 % der Population‘ abgetan. Aber diese Zahl verschleiert den tatsächlichen ökologischen Schaden“, sagt er. „Die wirkliche Bedrohung liegt nicht darin, wie viele Elefanten getötet werden, sondern welche. Das ist kein zufälliger Entnahmeprozess. Trophäenjäger und Elfenbein-Wilderer zielen bewusst auf die seltensten Tiere Botswanas ab: die letzten großen Bullen, die ältesten mit den größten Stoßzähnen. Diese Elefanten machen nur einen winzigen Bruchteil der Population aus.“

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Ältere Bullen im Alter von 40 bis 60 Jahren tragen Stoßzähne, die für hochpreisige Jagdkunden attraktiv sind. Sie stellen vielleicht nur 1–3 % der Population dar, spielen aber eine überproportionale Rolle im Elefanten-Sozialgefüge. Sie zeugen den Großteil der Kälber (aufgrund der Partnerwahl der Weibchen), bringen jüngeren Bullen soziales Verhalten und saisonale Wanderungen bei und fungieren als kulturelle Gedächtnisträger für dürregefährdete Landschaften.

Modellrechnungen im EWB-Bericht zeigen, dass die Jagd auf dem aktuellen Niveau die Zahl der Bullen ab 50 Jahren halbieren und die der Bullen ab 30 Jahren um fast ein Viertel reduzieren könnte – verglichen mit einem Szenario ohne Jagd. Diese Rückgänge werden durch Dürre oder Wilderei noch verstärkt. Entscheidend: Die behördlichen Begründungen für die Jagdquoten berücksichtigen weder Dürre noch Wilderei.

Klima und Konflikt: Eine sich wandelnde Landschaft

Der Norden Botswanas wird immer häufiger von Dürre heimgesucht. Klimaprognosen für das südliche Afrika gehen davon aus, dass schwere Trockenperioden bis 2080 in bis zu 40 % der Jahre auftreten könnten. In Dürrezeiten drängen sich Elefanten um schrumpfende Wasserstellen, was Konflikte mit Gemeinschaften und die Übertragung von Krankheiten wahrscheinlicher macht.

Dürre beeinflusst auch die langfristige Struktur der Elefantenpopulationen. Kälber und fortpflanzungsfähige Weibchen sterben in trockenen Jahren überdurchschnittlich häufig, was die Zahl der zukünftigen Männchen verringert, die irgendwann die Trophäengröße erreichen werden. Wenn zeitgleich Jagd und Wilderei ältere Bullen selektiv entfernen, beginnt sich die demografische Pyramide von beiden Enden zu verengen.

Jagdgebiete als „Senken“-Landschaften

Eine der auffälligsten Erkenntnisse des Berichts: Viele Jagdkonzessionen fungieren als „Senken“-Gebiete – Landschaften, in denen Elefanten schneller sterben, als sie sich natürlich reproduzieren können. Dass dort trotzdem noch jagdbare Bullen auftauchen, liegt laut den Forschern nur daran, dass sie aus Schutzgebieten wie dem Chobe-Nationalpark und dem Moremi-Wildreservat abwandern.

Diese Wanderungsmuster könnten sich jedoch ändern. Zwischen 2018 und 2022 registrierten die Untersuchungsteams Verschiebungen in der Verteilung der Elefanten, die darauf hindeuten, dass einige Elefanten Jagdgebiete inzwischen vollständig meiden. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird das Angebot an älteren Bullen auch dann schwinden, wenn die Gesamtpopulation groß bleibt.

Veraltete Modelle und fehlende Daten

Der EWB-Bericht überprüft genau die wissenschaftliche Grundlage für Botswanas Jagdquoten. Er stellt fest, dass das Hauptmodell, das vom Department of Wildlife and National Parks verwendet wird, im Jahr 2011 entwickelt wurde und sich auf Überlebensraten stützt, die nicht auf Felddaten basieren, und dass es von stetigem Populationswachstum ausgeht, ohne die Dichteabhängigkeit zu berücksichtigen, einen Schlüsselfaktor bei jeder großen Säugetierpopulation. Dichteabhängigkeit bedeutet: Je größer und dichter eine Elefantenpopulation wird, desto stärker bremsen natürliche Faktoren wie Nahrungsknappheit, Dürre und Konkurrenz automatisch ihr Wachstum.

Das Modell unterstellte zudem eine jährliche Abwanderung von Elefanten in Nachbarländer in einem Umfang, der durch die Erhebungsdaten nicht gestützt wird. Diese Annahmen, so der Bericht, machen das Modell ungeeignet, um die heutige Jagdpolitik zu steuern, insbesondere unter den gegenwärtigen Belastungen.

Wiederholte Anfragen von Forschern nach grundlegenden Quotendaten – einschließlich Stoßzahnmessungen, Alter und Geschlecht der gejagten Elefanten – blieben unbeantwortet.

Ein Land, das seine Entscheidungen abwägt

Die Regierung Botswanas beharrt darauf, dass die Jagd ein Mittel ist, um Mensch-Elefanten-Konflikte zu reduzieren und Einnahmen für ländliche Gemeinschaften zu generieren. Manche Gemeindevertreter unterstützen die Jagd wegen der Einkünfte und Arbeitsplätze, die sie bietet. Andere argumentieren, dass der Fototourismus, der von der verlässlichen Sichtung großer, beeindruckender Elefanten abhängt, deutlich lukrativer und nachhaltiger ist.

Chase warnt, dass eine Erhöhung der Entnahme – sei es durch größere Quoten, längere Jagdzeiten oder die Eröffnung neuer Konzessionen – beide Wirtschaftszweige gefährden könnte.

„Das Erhöhen der Quoten, das Verlängern der Jagdsaisons oder das Öffnen neuer Konzessionen wird weder unsere wirtschaftlichen noch unsere ökologischen Probleme lösen. Im Gegenteil: Diese Maßnahmen beschleunigen die Erschöpfung genau jener Ressourcen, von denen sowohl die Gemeinschaften als auch die Jagdindustrie abhängen.“

Der Tourismussektor Botswanas trägt etwa 12 % zum BIP bei und sichert mehr als 100.000 Arbeitsplätze. Große Bullen sind ein besonderer Anziehungspunkt für Fototouristen, von denen manche eigens anreisen, um die letzten intakten Populationen von Elefanten mit großen Stoßzähnen zu sehen.

Es bleibt abzuwarten, wie die botswanische Regierung auf die neueste EWB-Analyse reagieren wird. Das Land bleibt eine globale Hochburg für Elefanten und beherbergt etwa ein Drittel der verbliebenen Savannenpopulation Afrikas.

Chase jedoch glaubt, dass die Zukunft der Elefanten Botswanas nun davon abhängt, ob die Politik an die Realitäten vor Ort angepasst werden kann.

„Nach 25 Jahren Feldforschung und Monaten der Analyse – und nachdem ich unter nicht unerheblichem Druck stand, nur weil ich die Wahrheit sage – habe ich das Gefühl, dass dies meine letzte Chance sein könnte, offen in einem Raum zu sprechen, der von Politik, Eigeninteressen und Pseudowissenschaft dominiert wird. ‚Nachhaltigkeit‘ ist zu einem Schlagwort geworden, zu oft benutzt, um genau jene Praktiken zu rechtfertigen, die sie untergraben.“

Deutsche Übersetzung mit Genehmigung des Autors.

Hier finden Sie den Originalartikel: https://allafrica.com/stories/202512020122.html

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