Vorsicht Täuschung: Elefanten und der Pianist Paul Barton

14. April 2021. Info zum Blogtext über Paul Barton: Als Reaktion auf den Text hat Paul Barton kürzlich zwei Videos online gestellt. Eine Antwort darauf (in englischer Sprache) haben wir hier veröffentlicht.

Lieben Elefanten Bach? Die Vorstellung, dass die als sensibel bekannten Dickhäuter klassische Musik goutieren, hat zweifellos Charme. Doch die im Netz kursierenden Videos, in denen der britische Pianist Paul Barton für scheinbar andächtig lauschende Elefanten aufspielt, haben eine dunkle Seite.

Keineswegs findet hier Therapie für geschundene Elefantenseelen statt, wie in den Videos suggeriert; stattdessen handelt es sich um eine kommerzielle und sehr unschöne Masche.

Wer genauer hinschaut, stellt schnell fest, dass die Elefanten nicht freiwillig als Konzertpublikum posieren. Meist ist die Perspektive so gewählt, dass die begleitenden Mahouts im Bild nicht zu sehen sind. Doch wenn sich etwa ein Elefant unverhofft bewegt,  gibt er für kurze Momente den Blick frei auf den Mahout, der verdeckt auf der vom Zuschauer abgewandten Seite des Elefanten steht und ihn in Schach hält. Um das Tier am Weggehen zu hindern wird an den empfindlichen Ohren gezogen, oder es werden Stöcke und Elefantenhaken benutzt.

Dem ungeübten Auge fallen die verräterischen Szenen kaum auf. Doch wer das traurige Schauspiel malender oder Kunststücke vorführender Elefanten in Thailand einmal bewusst beobachtet hat weiß, dass die Mahouts oft genau dort am Ohr des Tieres stehen, um es zu dirigieren – genau wie in manchen Piano-Videos mit Paul Barton. Die Kontrolle über die Elefanten funktioniert nur deshalb, weil sie alle als Jungtier die brutale Prozedur des „Phajaan“ oder „Crush“ durchmachen mussten. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die Elefanten in den Piano-Inszenierungen von Paul Barton als unfreiwillige Komparsen agieren, die Kommandos befolgen müssen. In vielen Fällen stehen die Mahouts einfach außer Sicht der Kamera und halten die Elefanten von dort aus in Schach.

Betrachtet man die Kooperationspartner von Paul Parton, wird das Märchen vom heilsamen Klavierspiel für verletzte Elefantenseelen vollends entlarvt. Etliche der Videos wurden bei Elephant Stay gefilmt – einem der verrufensten Unternehmen im thailändischen Elefantenbusiness! Dort wird nichts ausgelassen, was bei elefantenfreundlichen Konzepten tabu ist: Die Tiere sind angekettet, sie werden geritten und mit Elefantenhaken traktiert. Überdies ist der Gründer von Elephant Stay einer der einflussreichsten Player beim internationalen Handel mit Elefanten, gerne auch jenseits der Legalität.

Allein durch die Zusammenarbeit mit Elephant Stay ist Paul Barton gründlich diskreditiert. In den dort aufgenommenen Videos sind etwa Mahouts zu sehen, die auf den Elefanten sitzen und sie mit den Füßen bearbeiten, wenn die Tiere sich vom Klavier entfernen wollen. In einer anderen Szene wird ein Elefant durch kräftiges Rütteln an den umgehängten Ketten dazu animiert, mit dem Rüssel auf die Tastatur zu schlagen.

Nur wenig besser ist das Unternehmen Elephants World, in dem ebenfalls einige der Videos aufgenommen wurden. Elephants World präsentiert sich als Sanctuary für „gerettete“ Arbeits- und Trekkingelefanten, doch auch dort kommen Ketten und Haken zum Einsatz. Zudem werden die Elefanten zum Baden genötigt und müssen sich dabei von ganzen Horden von Besuchern abschrubben lassen – was für die Tiere enormen Stress bedeutet. In den bei Elephant World gefilmten Videos agieren die Mahouts zwar unauffälliger, doch auch hier erscheinen sie immer wieder in verräterischen Positionen im Bild. Manche Tiere zeigen stereotypes Kopf- und Körperschaukeln, was keineswegs ein Zeichen von Musikalität ist, sondern auf seelisches und körperliches Leid hindeutet.

Was steckt also hinter Mythos der musikalischen Elefanten? Bei Paul Barton liegt die Antwort nahe: der Profit. Mit den Kurzvideos wird sein Film „Music for Elephants“ promotet, der online käuflich zu erwerben ist.  Dass der Pianist für die Film-Idee misshandelte Elefanten benutzt und sich selbst als Wohltäter stilisiert, der seine Erfüllung im Klavierspiel für traumatisierte Dickhäuter findet, lässt ihn in keinem günstigen Licht erscheinen.

Über die tatsächliche Musikalität von Elefanten sagen die Piano-Videos oder auch das unsägliche „Elefantenorchester“, das Richard Lair in Nordthailand vermarktet, rein gar nichts aus. Dass die kommunikativen Grauen Riesen für Klänge und Töne empfänglich sind, zeigt indes ein anderes Beispiel: Die Schlaflieder, die Elefantenschützerin Lek Chailert für unruhige Dickhäuter in ihrem Elephant Nature Park singt, üben offensichtlich beruhigende Wirkung auf die Tiere aus. Ketten, Elefantenhaken oder reitende Mahouts sind dabeigarantiert nicht im Spiel: All dies ist im Elephant Nature Park – wie in jedem echten Sanctuary – streng verpönt.

Bildnachweis:
Das Foto oben ist diesem Video entnommen: https://www.youtube.com/watch?v=XC7z8JU5jZU

LINKS ZU VERÖFFENTLICHTEN VIDEOS

https://youtu.be/fTZO-RWVH4Y
Hier sieht man ab ca. 0:16, dass jemand auf der abgewandten Seite des Elefanten steht. Das Baby wirkt sehr gestresst, es macht stereotype Bewegungen und ist offensichtlich nicht entspannt.

https://www.reddit.com/r/aww/comments/ay4w3h/this_elephant_playing_the_piano_and_bobbing_his/
Hier ist zu sehen, dass der Elefant eine Kette trägt und der Mahout anfangs an der Kette rüttelt, um ihn zu den rhythmischen Kopfbewegungen zu bewegen. So etwas tut ein Elefant nur, wenn es ihm mit den üblichen schlimmen Trainingsmethoden beigebracht wurde.

https://www.youtube.com/watch?v=XC7z8JU5jZU
Hier sieht man in manchen Szenen den Fuß des Mahouts, der auf dem Kopf des Elefanten sitzt und ihn dazu animiert, auf das Klavier zu schlagen.

https://www.youtube.com/watch?v=610irOfEtns
Ab 0:10: Jemand steht neben dem rechten Vorderbein des Elefanten (auf der von der Kamera abgewandten Seite, also meistens verdeckt), und man sieht, dass er eine Hand oben hat – etwa am Ohr des Elefanten bzw. an dem Seil, das dem Elefanten um den Hals gehängt worden ist. Als der Elefant sich seitlich wegdrehen will, sind die Beine des Mannes zu sehen, der Kraft anwendet und sich mit den Beinen in den Boden stemmt, offensichtlich beim Versuch den Elefanten zum Stehenbleiben zu bewegen. Auch beim Elefanten links vom Piano steht ein Mahout, der versucht, ihn am Seil festzuhalten als er weglaufen will.

https://www.instagram.com/p/BrYARqEA3cJ
Hier sieht man, dass der Elefant am Ohr gezogen und von zwei Personen zum Piano hin eskortiert wird. Die Person rechts vom Elefanten hält zudem in der anderen Hand ein Instrument, das einer Zange ähnelt.

https://www.youtube.com/watch?v=hjsu3SGAdLs
"Duet with Elephant": hier rüttelt jemand an der Kette des Elefanten